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Enneagramm und kein Ende

Eigentlich habe ich früher nie gedacht, dass ich einmal so etwas schreiben würde. Mein Leben verlief an sich immer recht unaufgeregt. Ich mochte vor allem nicht immer oder überhaupt über mich oder über meine inneren Wertvorstellungen nachdenken. Trotzdem ist das Denken eigentlich mein Ding. Damit kam ich recht gut durchs Leben mit all den unerkannten Fallen und Zwängen, die mir mein Muster unbekannterweise zur unfreiwilligen Verfügung stellt.

Ein guter Bekannter riet mir im Jahre 2001 zu einem Fortbildungsangebot beim Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge in Frankfurt. Das Thema hieß "Führen und Leiten" bei einem Herrn Wilfried Reifarth. Zu dieser Zeit war ich bereits seit mehr als zehn Jahren Geschäftsführer eines gemeinnützigen Vereins. In dieser Fortbildung hörte ich erstmalig vom Enneagramm. Noch völlig unerwartet und auch zunächst anderen charakterlichen Vorstellungen über mich selbst fand ich mich doch bei meinem Muster zweifelnd ein. Fortan und nach einem weiteren Kurs war ich mir meiner selbst sicherer, mir und meinem Muster FÜNF, der eigenen Haut, in die ich mich doch so oft schon zurückgezogen hatte.

Das Leben und mein Sein in dieser beruflichen und privaten Welt konnte ich jetzt anders angehen. Ich wurde mir zunehmend klarer über die Unverträglichkeiten, die ich anderen Menschen unbeabsichtigt in den Weg legte. Nur durch mein normales Verhalten bei meinem Gegenüber so viel unterschiedliche Empfindungen, Ängste und Erwartungen auszulösen, war mir bislang völlig unvorstellbar. Schlimmer war, dass ich diese Reaktionen ja selbst niemals bei anderen Menschen verursachen wollte und mein Verhalten eigentlich gerade darauf einrichtete.

Gleichwohl konnte ich nun aber beginnen, meine Ängste und meine immerwährende Tendenz zum Rückzug zu akzeptieren, aber auch bewusst dagegen anzukämpfen. Es bedeutete und bedeutet, sich einfach einzulassen auf die Dinge, die da kommen. Das Leben anzunehmen und dabei zu sein. Den Rückzug nicht immer als eine der besten Lösungen für mich selbst zu verstehen.

Als ich von dem Angebot einer Ausbildung zum Enneagrammlehrer beim Deutschen Verein hörte, wollte ich gern dabei sein. Und so geschah es dann auch. Es entwicklete sich eine Gemeinschaft von Menschen, und wir erlebten und erleben gemeinsam die neunfache Verschiedenheit unserer Muster. Wilfried Reifarth und Barbara Stiels habe ich sehr viel zu verdanken. Die Weisheit des Philosophen Martin Buber kam in mein Leben. Zunächst für mich schwer verdaulich, so sind der Inhalt seiner Worte und Schriften heute für mich große An- und Bereicherung, neben - wie auch mit - dem Enneagramm.

Seit dieser ganzen Zeit fällt es mir erheblich leichter, gegen den Widerstand anzugehen, der mir rät, mich nicht auf das Leben einzulassen. Doch dies ist ein alltäglicher Kampf mit immer wieder guten Erfahrungen und erlebter Begegnung. Ich kann sehen und erleben und mitmachen. Es braucht nicht mehr immer einen Plan. Der Weg ist das Ziel. Oft mache ich bei schwierigen Entscheidungen die Erfahrung - sie lösen sich auch einfach - und zwar wesentlich besser. Meine tiefe Akzeptanz der Anderheit des anderen beginnt zu wachsen. Eine wichtige Basis auch im beruflichen Kontext. Es gibt für mich noch viel zu tun.

Rainier

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